257.035 Wahlseminar Kunstgeschichte

257.035 Wahlseminar Kunstgeschichte

ARCHITEKTUREN FÜR OBJEKTE: VON DER WUNDERKAMMER ZUM HUMBOLDT FORUM

Welchen Beitrag kann Architektur zur musealen Präsentation von Objekten leisten? Dieser Frage wollen wir im Seminar gemeinsam nachspüren und dabei insbesondere Museen für angewandte Kunst und ethnologische Museen in den Blick nehmen. Es sollen die vielfältigen Bezugnahmen und Verweissysteme zwischen den ausgestellten Objekten und der sie beherbergenden Architektur ausgehend von den frühneuzeitlichen Kunst- und Wunderkammern erarbeitet und analysiert werden, während der Schwerpunkt auf den Museumsbauten des 19. und 20. Jahrhunderts liegen wird.

Bereits vor dem Betreten der Einrichtungen inszeniert die nach außen gerichtete Sprache der Museumsarchitektur die eigene Sammlung: sie artikuliert Ansprüche, gibt Versprechen und schürt Erwartungen beim Besucher, die im Inneren erfüllt oder auch gezielt unterlaufen werden können. Aber auch die Raumgliederung und Gestaltung im Inneren nimmt auf die Wirkung der Exponate erheblichen Einfluss. So konnte beispielsweise das Selbstverständnis des Sammlers architektonisch ausgedrückt oder in einem historistischen Museum ein Kirchenschatz in fingierter Sakralarchitektur, in seinem scheinbaren Ursprungszusammenhang vor Augen geführt werden. Peter Zumthor hat der Museumsarchitektur des Kolumba in Köln hingegen die Fundamente und Ruinen von gleich zwei Kirchenbauten inkorporiert, die mit den gezeigten Kunstsammlungen des örtlichen Erzbistums resonieren. Jüngst hat die hitzige Debatte um das Berliner Humboldt Forum deutlich vor Augen geführt, welche Sprengkraft das Zusammenspiel von Architektur und Sammlung heute noch entfalten kann. Dass dort ethnologische Objekte aus kolonialen Zusammenhängen gezeigt werden, wird von einigen als pietätloser Affront empfunden, da die Bestände im kostenintensiv rekonstruierten Berliner Stadtschloss ausgestellt werden: Die außereuropäischen Objekte, deren Provenienz größtenteils im Dunkeln liegt, treten so in einen Sinnzusammenhang mit der barocken Schlossfassade, die nicht zuletzt ausgerechnet das kolonialistische Mindset des 18. und 19. Jahrhunderts aufruft. Mit der Abstimmung der Architektur auf ethnologische Sammlungsobjekte geht also auch eine gesellschaftliche und politische Verantwortung einher.

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